Am dritten Bettag

 

DIE FEINSCHAFT ZWISCHEN DEM NACHKOMMEN DER JUNGFRAU UND DEM NACHKOMMEN DER SCHLANGE. CHRISTUS HAT DEN ZAUN ABGEBROCHEN UND DEN FRIEDEN ZWISCHEN DIE CHRISTEN GEBRACHT.

 

Tagpredigt im Jahre 1858

 

(22) Denn es steht geschrieben, daß Abraham zwei Söhne hatte, den einen von der Magd, den anderen von der Freien. (29) Aber wie zu jener Zeit, der nach dem Fleisch gezeugt war, den verfolgte, der nach dem Geist gezeugt war, so geht es auch jetzt. Gal. 4,22;29

 

 

Wir hören aus diesen Wort des Apostels Paulus, daß jener, der nach dem Fleisch gezeugt war, den verfolgte, der nach dem Geist gezeugt war, und daß es immer noch so geht. Mancher Gottlose kann zwar sagen, daß Sarah sündigte. Sarah befahl nämlich zuerst ihrem Mann, mit der Magd die Ehe zu brechen, und als Sarah dann auch selbst einen Sohn bekam, begann sie, den außerehelichen Sohn von Abraham zu hassen und befahl diesem, die Magd mit ihrem Sohn auszustoßen, weil der Sohn der Magd nicht mit dem Freien erben soll (Gal. 4,30; 1. Mose 21,10).

Die Gottlosen wagen kaum zu sagen, daß auch Gott unrecht tat, als er Abraham befahl, seiner Frau zu gehorchen und seine Magd auszustoßen. Gott sah, daß der Sohn der Magd ein großer Narr war, der den Sohn der Sarah zu viel Üblem angetrieben hätte, wenn er in demselben Haus hätte bleiben dürfen.

Der Sohn der Magd klagt ja jene an, die ihn ausstießen und behauptet, verfolgt zu sein. Er, nach dem Fleisch gezeugt, werde angeblich von den Christen verfolgt. Abraham war der beste Christ des Alten Testaments. Wie konnte er also ein außereheliches Kind mit einer Magd zeugen und sie dann aus dem Hause verstoßen, weshalb der Sohn nahe dabei war, zu verdursten. Wenn so etwas heutzutage geschehen würde, hätten alle Gottlosen Abraham und seine Frau in die Hölle verdammt, weil sie  eine so große Ungerechtigkeit begingen.

Wir bemerken hier, daß Gott manchmal etwas verteidigt, was die natürliche Vernunft für Sünde hält - und manchmal solche Sünden schrecklich bestraft, die die natürliche Vernunft akzeptiert, wie z.B. die Volkszählung Davids (vgl. 2 Sam. 24). Andere Könige zählen häufig ihr Volk, aber so etwas wurde David als Stolz angerechnet.

Das Gewissen der Pfarrer und der Herren der Welt hat immer die Verfolgung der Christen um ihres Glaubens willen verlangt, und das Volk ist darauf eingegangen. Sie haben geglaubt - und glauben immer noch - Gott einen Dienst zu leisten, wenn sie Jünger Jesu töten. Hier bemerkt man richtig, wie der Feind ihre Augen verdreht, und welch schecklicher Haß den Haufen des Feindes erfüllt. Sie betrachten dies nicht als Sünde, sondern als gerecht, als ob Gott selbst ihnen dies befohlen hätte. Hier wird die Macht des Teufels auf der Erde deutlich.

Die Gottlosen jedoch behaupten, daß die Christen sie verfolgen. Wer verfolgt nun die Gottlosen? Paulus sagt, daß derjenige, der nach dem Fleisch gezeugt war, denjenigen verfolgte, der nach dem Geist gezeugt war, und daß es immer noch so geht.

Verstehen die Gottlosen, welcher von den beiden nach dem Fleisch geboren ist - der Sohn der Magd oder der Sohn der Freien? Ich glaube, daß die Gottlosen zugeben müssen, daß sie nie nach dem Geist geboren wurden. So sind die Gottlosen die Verfolger der Christen, aber die Christen sind keine Verfolger der Gottlosen. Die Gottlosen sehen jedoch die Christen als ihre schlimmsten Feind an. Zum Beispiel sagte Ahab zum Propheten Elia: “Hast du mich gefunden, mein Feind?” (1. Kön. 21,20) So sprechen alle, die die Christen hassen. Selbst sind sie Engel. Dieses macht deutlich, wie die Gottlosen über die Christen denken.

Die Christen hoffen, daß ihre Verfolger einmal sehen werden, wen sie gestochen haben. Salomo zeugt davon und sagt, daß die Gottlosen einmal staunen und sich verdammen müssen, wenn sie den Gerechten tapfer und mit voller Zuversicht sterben sehen. Dann müssen die Gottlosen bekennen: “Diesen haben wir geschmäht und ihn lachten wir aus. Wie ist er jetzt unter den Kindern Gottes?”

Wenn der Tod kommt, müssen die Gottlosen bekennen, daß sie falsche und schädliche Wege gewandert sind, und daß die Sonne der Gerechtigkeit ihnen nie schien. Dann müssen die Gottlosen und die von der Gnade Abgefallenen auf dem Totenbett bekennen: “Wir sind auf dem schlechten Weg, und Gott hört nicht unser Gebet. Es ist jetzt zu spät, um zu uns zu bekehren.”

Warum sind die Gottlosen so tapfer, die Wahrheit zu verspotten und den Christen zu widerstehen, obwohl sie gerade solche furchtbaren Beispiele gesehen haben? Sie höhnen, hassen und widerstehen den Christen sicher deshalb, damit das Maß ihrer Sünde erfüllt werde und damit sie ein strengeres Urteil bekommen.

Wir hoffen jedoch und vertrauen auf Gott, damit die Christen die Kraft haben, in ihrem teuersten Glauben noch eine kurze Zeit auszuhalten, um zu kämpfen und zu ringen, bis die Zahl jener vollgefüllt ist, die die Seligkeit erben. Der große Kriegsheld, der gesiegt hat, kämpft für die Christen. Er stärkt den Glauben der Verzagten. Er macht die wankenden Knie fest und hält die müden Hände oben, damit sie die Kraft haben, in dem großem Kampf und Ringen zum Himmel zu rufen.

Höre, du großer Kriegsheld, das Seufzen der Traurigen und Bedrängten: Vater unser, der du bist im Himmel.

 

Der Text des dritten Bettages steht geschrieben im Brief des Paulus an die Epheser und lautet wie folgt:

 (14) “Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft. Durch das Opfer seines Leibes (15) hat er abgetan das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache.” Eph. 2,14-15

 

Wenn es den Christen schwerfällt, diesen Text zu verstehen, so mag er für die Gottlosen noch schwerer sein. Der Apostel spricht von den zweien, aus denen einer geschaffen ist. Welche zwei werden also einer durch das Fleisch Christi, weil er durch sein Fleisch aus zweien einen neuen Menschen geschaffen hat?

Die Bibelausleger sagen, daß in der Gemeinde zu Ephesus zweierlei Christen waren, nämlich Judenchristen und Heidenchristen. Die Judenchristen hatten sich vom Judentum und die Heidenchristen vom Heidentum bekehrt. Sie bildeten zwei Sekten. Die zum Christentum bekehrten Juden wollten dem Gesetz Mose folgen - auch deren Satzungen in den äußerlichen Sitten. So sortierten sie die Speisen und sagten, daß es nicht recht sei, jede Speise zu essen. Dagegen konnten die vom Heidentum zum Christentum Bekehrten keinen Unterschied zwischen den Speisen sehen, sondern sie aßen alles, was ihrer Meinung nach zur Nahrung taugte. Sie sagten, daß den Reinen alles rein ist (Tit. 1,15), z.B. Pferde- und Schweinefleisch.

Auf Grund dieser Entzweiung schrieb Paulus einen Brief an sie, in dem er zeigte, daß die Juden und die Heiden durch den Leib Christi - also durch den Versöhnungstod - eine Gemeinde sind, die einen Glauben und ein Bekenntnis haben sollte. Darum sagt er, daß Christus den Frieden zwischen den Juden und den Heiden gebracht hat, damit zwischen jenen, die denselben Glauben haben, nichts Trennendes ist.

Weil aus dem Streit zwischen den Christen oft Ärgernis und schließlich Haß entsteht, deshalb schreibt Paulus, daß Christus den die Juden und die Heiden trennenden Zaun abgebrochen hat und den Haß entfernte, der früher zwischen ihnen war. Christus hat auch den Haß gegen Gott - also den Fluch des Gesetzes - entfernt, den weder die Juden noch die Heiden kannten, bevor ihr Gewissen geweckt wurde. So hat Gott aus den beiden - aus dem Juden und aus dem Heiden - einen neuen Menschen geschaffen, sie folglich so versöhnt, daß der alte Haß nun aufhören muß.

So lautet die Auslegung des Textes. Aber was lesen die Gottlosen aus diesem Text? So sehr sie die Worte des Textes auch untersuchen, er kann ihnen keinen Nutzen bringen. Da die Christen in Ephesus in den Dingen des Glaubens und des Gewissens uneinig gewesen waren, so stellen sich die Gottlosen vor, daß die Christen damals nicht besser als die von heute gewesen sind. Wenn Paulus vom Haß schreibt, den Christus dem Gewissen der Christen weggenommen hat, so verstehen die Gottlosen nichts davon, denn sie haben den Fluch des Gesetzes nicht gefühlt. Wenn Paulus vom Zaun spricht, den Christus abgebrochen hat, so fragen sie, welcher Zaun gemeint ist.

Wenn die Gottlosen nun ihre Blindheit bekennen würden, daß sie die Dinge des wahren Christentums nicht begreifen, so wäre dies Bekenntnis für sie nützlich. Sie sagen jedoch, da das, was sie sehen, eine große Sünde des Stolzes ist, die schon solange besteht, wie sie leben. Paulus schreibt von ihnen, daß der Vorhang - also die Decke - unaufgedeckt bleibt, solange das Alte Testament gelesen wird (2. Kor. 3,14). Diese Decke von Moses mag der Zaun sein, der sie daran hindert, das Gesetz Gottes zu verstehen.

Wir wissen, daß jener, der nicht den Fluch des Gesetzes gefühlt hat, keine Freude am Evangelium hat. Wenn dieser Text den Gottlosen am Bettag vorgelesen wird, so ist es verschwendete Zeit, da sie ihn nicht verstehen, auch wenn er ihnen ausgelegt wird. Für die Gottlosen mag es nützlicher sein, wenn sie Branntwein trinken, dessen fröhliche Wirkungen sie sogar in der Seele fühlen. Er ist ja ein Freudengetränk für den Dürstenden und Medizin für die Wunden des Herzens! Nützlicher als der Text des Bettages wäre es für die Gottlosen, wenn sie sich am Bettag versammeln, um Karten oder Ball zu spielen. Dann können sie sagen: “Wir haben den Bettag nicht vergebens verbracht.”

Die Gottlosen haben scharfe Augen, um die Fehler der Christen zu sehen. Daher müssen wir auch hinsehen, wie sie selbst leben. Die Gottlosen und Gnadendiebe haben nun angefangen, die Christen in den Topf zu stoßen, und selbst stehen sie auf dem Deckel. Wie lange mögen die Füße so etwas aushalten?

Die Christen können aus dem Text des Bettages den Nutzen ziehen, daß sie lernen, stillzuhalten und aufzupassen, damit sie sich nicht so sehr über solche Dinge streiten, die nicht zum Grunde der Seligkeit sondern zur äußeren Ordnung gehören. Die Christen unserer Zeit hören nun, daß die Christen in Ephesus über die Satzungen der äußeren Dinge diskutierten, und daß es ihnen nicht nutzte. Die Christen sollten daraus lernen, daß sie besser den Zank untereinander vermeiden, damit die Seelen der Heiden wertlos werden.

Unter den Jüngern hat es immer Zank gegeben, aber ihr Streit hat weder den Christen noch den Heiden geholfen. Wir hoffen, daß die Christen solche Ursachen des Zankes vermeiden, die nicht dem christlichen Leben dienen. Lieber sollten sie durch das Wort Gottes angemessenere Dinge untersuchen, die der eine so und der andere so versteht. Zugleich sollten sie sich genau daran erinnern, daß Christus den Haß zwischen den Christen weggenommen hat.

Die Gottlosen hassen jedoch die Christen, denn Gott hat sofort nach dem Sündenfall gesagt, daß Er die Feindschaft zwischen den Nachkommen der Jungfrau und den Nachkommen der Schlange setzt (vgl. 1 Mose 3,15). Dieser Haß der Nachkommen der Schlange  offenbart sich immer wieder, solange es Nachkommen der Schlange auf der Erde gibt. Christus hat jedoch den Haß und den Fluch des Gesetzes dem Gewissen der Christen weggenommen und den Frieden gemacht. Diesen Frieden, der auch unter den Christen herrschen soll, können sie auch in ihrem natürlichen Leben genießen, wenn sie aufhören, über solche Dinge zu zanken, die nicht zur Seligkeitsordnung gehören.

Wir hoffen, daß die Christen fleißig nach dem Frieden streben, den Jesus seinen Jüngern gab, wenn er sagte: “Meinen Frieden lasse ich  euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.” (Vgl. Joh. 14,27) Die Welt gibt ihren Knechten einen falschen Frieden. Er schläfert ihr Gewissen ein, und sie predigen über den Frieden, wo es keinen Frieden gibt.

Jesus sagte auch, daß die Jünger in der Welt in Bedrängnis leben werden. Die Christen haben in der Welt keinen Frieden, sondern die Bedrängnis, und wegen dieser Bedrängnis müssen sie nach dem Frieden zwischen Gott und ihrem Gewissen suchen. Sie müssen nach der Freude suchen, die höher ist als alle Vernunft. Sie müssen durch alle Bedrängnis, Mühe, Feuer und Flammen zu kommen versuchen, so daß sie die überschwengliche Freude und den Jubel genießen werden, “was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist” (vgl. 1. Kor 2,9; Jes. 63). Diese Freude ist jenen bereitet worden, die hier wegen Jesu Namen gehaßt, verfolgt, geschmäht und verspottet werden, und die fest in ihrem teuersten Glauben bis zum Ende bestehen.

Da ist euer Ziel, ihr wenigen Auserwählten. Strebt, damit ihr die Krone des Lebens gewinnt, und damit ihr vom Baum des Lebens essen könnt, der im Paradiese Gottes steht.

 

 Amen.