Predigt
Wohl dem, dem die
Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Ps. 32,1
Als David bereute
und sich wegen seiner Sünden sorgte, erfuhr er, daß die Sünde und der Teufel
versuchten, ihn in den Abgrund zu stürzen. Darum mußte er in seiner geistlichen
Not dem Herrn zurufen: “Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige
mich nicht in deinem Grimm!” (Ps. 6,2) Als er aber in seinem Herzen die Gnade
und die Sündenvergebung fühlte, rief er die Wörter aus, die wir im heutigen
Text lesen: “Wohl dem, dem die Sünde bedeckt
ist!”
In demselben
Augenblick, wenn ein Christ die Süßigkeit der Gnade fühlt, fühlt er sich selig.
Weil Gott von den Christen den lebendigen Glauben verlangt, hat auch der
Apostel Paulus diesen als Grund der Seligkeit allen jenen hinstellen müssen,
die selig werden wollen. Aber der Glaube eines Christen ist oft schwach. Er ist
wie ein Funke, wie ein glimmender Docht, den der Herr nicht auslöschen will
(vgl. Matth. 12,20). Der Glaube eines Christen wird oft mit einer Lampe
verglichen, die verlöschen will, weil da kein Öl mehr drinnen ist, das das
Feuer brennen läßt.
Die zehn
Jungfrauen, die wachen sollten, wurden alle schläfrig, weil der Bräutigam lange
ausblieb. Und während sie schliefen, verlöschten ihre Lampen. Es gab jedoch Öl
in den Lampen der klugen Jungfrauen, aber in den Lampen der törichten
Jungfrauen gab es kein Öl mehr. Hier wird der tote Glaube dargestellt, der mit
dem schlafenden Gewissen die Gnade Gottes und die Vergebung der Sünden stiehlt.
Es ist unmöglich, sich vorzustellen, daß ein Mensch, der niemals aus dem Schlaf
der Sünde geweckt wurde, anfinge, auf die Ankunft des Bräutigams zu warten -
denn so ein Mensch ist gleichgültig. Er kümmert sich nicht um die Seligkeit
seiner Seele.
Die törichten
Jungfrauen hatten doch früher Öl in ihren Lampen gehabt. Sie hatten einmal den
lebendigen Glauben, aber während ihres Sündenschlafes war all das Öl
ausgebrannt oder ausgelaufen, und als wie alle wieder durch den Ruf aufgeweckt
wurden: “Siehe, der Bräutigam kommt!”, konnten sie es nicht glauben. Sie
begannen zu zweifeln. Die fünf Weisen, die noch Öl in ihren Lampen hatten,
konnten sie nicht trösten. Ein Christ erlebt oft, daß er dem Zweifelnden keinen
Trost schenken kann, weil er selbst zweifelt; ja, oft zweifelt er so, daß er
wie David klagen muß: “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?”
(Ps. 22,2) Ihre Lampen verlöschen jedoch nicht, solange sie wachen, auch wenn
die Geister der Finsternis die Flamme oft ausblasen, so daß nur ein glimmender
Docht - also eine schwache Hoffnung - übrigbleibt. Aber dieser glimmende Docht
kann wieder durch die Gnade Gottes und durch brennende Gebete, die von der
Tiefe aufsteigen, angezündet werden.
Dies mag nun
jenen als Warnung dienen, die anfangen, im Vertrauen auf die Gnade einzunicken.
Wenn der Sündenschlaf sie überfällt, verlöschen ihre Lampen und das Öl läuft
aus. Wenn der Ruf lautet: “Siehe, der Bräutigam kommt!”, müssen alle, die sich
hingelegt haben, aufwachen. Dann beginnen jedoch einige zu zweifeln und können
nicht wieder den lebendigen Glauben bekommen, weil sie ihre teure Gnadenzeit
mit einem schlafenden Gewissen verschwendeten. Sie haben nicht über ihr eigenes
Herz und dessen bösen Neigungen gewacht. Und derjenige, der noch Öl in seiner
Lampe hat, kann von seinem Öl den anderen nichts geben. Er kann den lebendigen
Glauben nicht in das Herz eines Zweifelnden eingießen, sondern er kann sie nur
aufmuntern und diejenigen beraten, die verkaufen [gemäß der alten finnischen
Bibelübersetzung], das heißt, zum Heiland. Wenn aber das Gewissen zu spät
aufwacht - vielleicht erst auf dem Totenbett - so kann der Mensch sich nicht in
aller Eile das Öl des Glaubens beschaffen und kommt deshalb zu spät zum
Hochzeitshaus.
Bedenkt nun, in
welch einem gefährlichen Zustand ihr euch befindet, die ihr einmal etwas vom
vorherigen Gnadengefühl erfahren habt. Wenn ihr, die ihr früher mit David sagen
konntet: “Wohl dem, dem die
Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist!”, euch dann aber in der
Zuversicht der Gnade hingelegt habt, weil ihr mit einem schlafenden Gewissen
eure Zuversicht auf die Gnade aufbautet, die ihr früher gefühlt habt, weil ihr
die Liebe zur Welt in euren Herzen überwandet - wie leicht kann dann während
des Sündenschlafes das Öl auslaufen, wie leicht kann dann die Lampe verlöschen.
Und wenn der Ruf erschallt: “Siehe, der Bräutigam kommt!”, ist es zu spät, um
nach dem lebendigen Glauben zu tappen, den man durch die Unwachsamkeit verlor.
Auch wenn der
Herr selbst von dem schwachen Glauben sagte: “Das geknickte Rohr werde ich
nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht werde ich nicht auslöschen” (vgl.
Matth. 12,20), so wurde dies nicht über jene gesagt, die sich in der Zuversicht
der Gnade hinlegten, sondern von denjenigen, die eine schwache Hoffnung aber
keinen Trost besitzen. Diese Worte betreffen jene, die dabei sind, in der
Verzweiflung zu versinken - und nicht diejenigen, die früher noch einen
lebendigen Glauben hatten und durch Unwachsamkeit in den toten Glauben fielen.
Noch weniger wurden solche Gnadendiebe gemeint, die nie einen lebendigen
Glauben besaßen, die nie ihrer Sünden wegen Kummer litten und trotzdem ohne
Reue und Buße glauben. Diese Worte des Herrn wurden auch nicht zu jenen gesagt,
die eine Zeitlang in der Erweckung lebten und ihrer Sünden gedachten, die aber
nie den Gnadenzustand erreichten, da sie in ihre alte frühere Gottlosigkeit
zurückgefallen sind. Dies heißt nicht, daß diese über einen schwachen Glauben
verfügen. Ihr Glauben ist stark wie ein Fels - solange es keine sichtbare
Gefahr gibt. Ein Mensch dagegen, der einen schwachen Glauben hat, kann sich
selbst keinen Glauben geben - ebensowenig wie ein glimmener Docht sich selbst
anzünden kann. Nur der Herr allein kann es tun. Er, der sagt, daß Er “ein
geknicktes Rohr nicht zerbrechen und einen glimmenden Docht nicht auslöschen”
wird. Er allein kann das Licht anzünden und mehr Öl in die verlöschende Lampe
gießen.
Es ist gut für
dich, du glimmender Docht, daß du noch glimmst, daß das kleine Feuer, das noch
in dir ist, nicht ganz verlöscht ist. Aber wie lange willst du glimmen, wie
lange glaubst du, du glimmender Docht, daß dein kleines Feuer sichtbar im
Zimmer ist, bevor es ganz ausgeht? Der glimmende Docht wird verlöschen, wenn er
nicht bald zu einem leuchtenden Feuer geblasen wird. Wenn ein glimmender Docht
lange in einem Zimmer glimmt, fängt er an zu blaken, und dann muß er ganz
verlöschen - oder zu einem neuen Feuer geblasen werden. Erinnere dich, du
glimmender Docht, daß du zu einem leuchtenden Feuer geblasen werden mußt, sonst
wirst du verlöschen! Erinnere dich, daß du nur das Zimmer verräucherst, wenn du
zu lange blakst und weder verlischest noch zu brennen anfängst!
Und du geknicktes
Rohr, es ist gut für dich zu wissen, daß der Herr dich nicht zerbrechen wird.
Wenn du dich im Wind der Welt hin und her treiben läßt, bist du deines Namens
nicht wert. Erinnere dich, du geknicktes Rohr, daß du einmal in der Hand des
großen Kreuztägers warst (siehe: Matth. 27,29-30). Mit dir wurde der Heiland
blutig und blau geschlagen, deinetwegen mußte der Schöpfer bluten. Ach nein,
ach nein, du genicktes Rohr, es kann sein, daß du gerade dann geknickt wurdest,
als der Haufe des Satans dich als Werkzeug verwandte, um den blutigen und
dorngekrönten König gegen den Kopf zu schlagen. Erinnere dich, daß du mit Blut
gefeuchtet bist, aber daß du auch ein eiserner Stab in der Hand des Königs
bist. Du bist der eiserne Stab, mit dem er über die Heiden regieren wird (Offb.
19,15). Und erinnere dich, du geknicktes Rohr, daß der Herr dich nicht
zerbrechen wird.
Es gibt viele
geknickte Rohre, die der Haufen des Satans als Werkzeug verwandte, um den
blutigen und dorngekrönten König gegen den Kopf zu schlagen. Mit bedeckten
Augen mußte der Heiland die Schläge von dir entgegennehmen, du geknicktes Rohr.
Du warst aber noch nicht geknickt, als der Satan dich als Werkzeug verwandte,
um den blutigen König zu schlagen. Es waren vielleicht gerade die harten
Schläge, wodurch du geknickt wurdest. Da wurdest du jedenfalls mit dem Blut des
Heilands befeuchtet, du geknicktes Rohr.
Erinnere dich, du
geknicktes Rohr, daß der Herr dich nicht zerbrechen will. Du hast die herrliche
Gnadenverheißung vom Herrn erhalten, daß Er dich nicht zerbrechen wird. So eine
Gnadenverheißung hat der Herr keinem anderen Rohr gegeben, das vom Wind der
Welt hin und her getrieben wird. Und der Herr hat diese Verheißung auch nicht
einem Rohr gegeben, das nicht geknickt wurde. Nur dem geknickten Rohr hat er
eine solche Verheißung gegeben.
Amen
(Das Ende der
Predigt fehlt)