Am dritten Bettag im Jahre 1860

 

 

A postel  Jakobus  schreibt: Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, daß der Glaube ohne Werke nutzlos ist? Jak. 2,20

 

 

Der Apostel Jakobus schreibt den Christen vom Glauben und von den Werken und zeigt auf, daß der Glaube ohne Werke tot [gemäß der alten finnischen Bibelübersetzung: tot; in der neuesten: nutzlos] ist. Darum glauben einige Bibelausleger, daß Jakobus gegen die Lehre des Paulus geschrieben habe. Während nämlich Paulus schrieb, daß Abraham durch den Glauben gerecht wurde, schreibt Jakobus, daß Abraham durch Werke gerecht wurde. Es ist aber nicht so, wie die Weisen der Welt glauben, daß der eine Apostel gegen den anderen gewesen ist. Da jedoch damals schon der tote Glaube unter den Christen hervorzutreten begann, setzte der Apostel Jakobus die Werke so streng voraus - nämlich solche Werke, die Früchte des Glaubens sind. Wenn wir nun untersuchen, welche Werke Gott von seinen Gläubigen verlangt, so sehen wir in derselben Epistel, in der Jakobus vom toten Glauben schreibt, daß der Glaube Abrahams in seinen Werken wirkte, und daß der Glaube in seinen Werken vollkommen war. Jakobus zeigt an dieser Selle, daß die Werke Abrahams die Folge seines Glaubens gewesen sind. Abraham baute nämlich seinen Glauben nicht auf Werke, sondern die Werke waren die Folge des Glaubens.

Alle Diener der Selbstgerechtigkeit bauen sehr auf ihre Werke, und was ihnen an Tugendhaftigkeit mangelt, das bessern sie mit der Gnade aus. Aber die Gnadendiebe eignen sich die Gnadenversprechungen ohne wahre Reue an - ohne Änderung ihres Herzens und ihres Sinnes. Und als Gnadendiebe bauen sie ihre Seligkeitshoffnung auf ihrer künftige Reue auf. Sie wissen ja, daß die Reue notwendig ist, sie verschieben sie aber bis zum Tod. Und dann fühlen sie, daß es zu spät ist. Der Apostel schrieb nicht an solche Gnadendiebe, die die Reue auf die Zukunft verschieben. Denn die Gnadendiebe sind durchaus gottlos. Sie leben in allen absichtlichen Sünden - wie im Saufen, Unzucht, Diebstahl, Fluchen, Schlägerei, Gierigkeit und anderen Werken des Fleisches, die Paulus aufzählt und verurteilt, bezeugend, daß diese nicht das Reich Gottes erben werden. Aber der Apostel Paulus schreibt an solche Christen, die die Liebe zur Welt ergriffen hatte. Diese ist auch der schlimmste Feind, der durch irgendeinen Anlaß zu den Christen kommt, sobald das Gewissen einnickt und sie nicht wach sind. Das Herz wird dann von der Welt gestohlen, und bald löscht sich das geistliche Leben aus. Wir haben schon zuvor gesagt, wie es den Christen ergeht, wenn die Klugen mit den Törichten schlafen; da entsteht [nach einiger Zeit] der tote Glaube. Ach, wie gefährlich ist dieser Schlaf für euch, ihr klugen Jungfrauen, der eure brennenden Lampen so schnell auslöscht. Dies meinte Jakobus, als er den Christen vom toten Glauben schrieb, der schon damals begann, sich bei den ihnen bemerkbar zu machen. Jakobus tadelte nicht ohne Anlaß die Christen. Er sah vielmehr, daß der lebendige Glaube anfing, sich in den toten Glauben zu verwandeln. So eine Verwandlung des Glaubens erfolgt unmerkbar, wenn die Klugen anfangen, mit den Törichten [] zu schlafen, so daß das Gewissen einschlummert. Der Glaube hat keine Fehler, aber das Gewissen. Leider mag mancher Christ, so wie es in der Gemeinde des Jakobus geschah, ein schlafendes Gewissen haben. Und wenn das Gewissen sich nicht mehr regt, so bleibt der Glaube doch noch da, aber er trägt keine Früchte mehr. Jakobus schreibt, daß der Glaube ohne Werke tot ist. Es geht nicht gut mit einem Christen, dessen Gewissen schläft. Er kennt weder die Sünde noch die Tücke der Welt mehr richtig. Er duldet auch keinen Tadel. Er erinnert sich nicht mehr, daß Gott sowohl zornig als auch barmherzig sein kann. Wir wissen, was David machte, als sein Gewissen einschlief. Er begann, entsetzliche Taten zu begehen - und doch glaubte er, daß Gott barmherzig ist, obwohl sein Sündenbewußtsein zu Ende war. Es gibt nicht mehr viele Seelen, die noch imstande sind, wach zu bleiben und im teuersten Glauben zu kämpfen und im großen Krieg zu widerstehen, den sie gegen den Teufel, gegen die Welt und das eigene Fleisch führen müssen. Mancher hat im Geist angefangen und ist im Fleisch geendet. Betet, ihr wenigen Seelen, die ihr noch imstande seid, wach zu bleiben, damit der große Kreuzträger euch davor bewahre, vom Feind eingeschläfert zu werden. Wenn das Öl in den Lampen zu Ende geht und die Finsternis euch erreicht, so würdet ihr ewig einschlafen. Höre, Du erster Erwecker, das Gebet der Reumütigen und Gläubigen: Vater unser, der Du bist im Himmel...

 

Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. Eph. 2,8

 

Der heilige Paulus schreibt den Christen, wie Gott sie zuerst erweckt und dann zum Glauben gebracht hatte. Darum gehören diese Worte nicht den Heiden und auch nicht denen, die vom Glauben abgefallen sind. Aber damit die Christen sich nicht die Werke des Geistes Gottes aneignen, als ob sie es aus ihrer eigenen Kraft könnten, so macht der Apostel sie darauf aufmerksam, daß es die Gnade Gottes war - und nicht die eigenen Werke. Wir wollen also durch die Gnade Gottes schauen, wieviel im Christentum auf eigenen Werken beruht - und was aus der Gnade kommt.

Wir haben oft von der eigenen Kraft des Menschen gesprochen, und davon, über wieviel Macht der natürliche Mensch verfügt, um sich zu bessern. Wir haben mit Luther entschieden, daß der Mensch keine eigene Macht in der Hauptsache des Christentums besitzt. Durch seine eigene Kraft kann der Mensch sein übles Herz nicht bessern. Durch seine eigene Kraft kann er nicht an Christus glauben - also zu ihm kommen -, sondern der Heilige Geist hat ihn dazu berufen und mit seinen Gaben erleuchtet. Durch eigene Kraft kann er in sich selbst weder Gottesfurcht noch Liebe zu Gott bewirken. Kurz gesagt: was die Hauptsache im Christentum betrifft, so kann er selbst nichts bewirken - weder die Sorge noch die Reue, weder den Glauben noch die Liebe - sondern alle diese Dinge sind ein Werk des Heiligen Geistes. Und darum sagt der Apostel Paulus im Text des heutigen Bettages: “Aus der Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.” Diese gehört nun den Christen. Aber den Gottlosen ist die Gnade Gottes noch nicht geschehen, und wenn sie auch Etlichen geschehen wäre, so hätten sie die Gnade verschwendet und ein größeres Urteil auf sich gezogen. Das, was Paulus im Römerbrief 1,18 schreibt, ist auf die Gottlosen gerichtet: “Denn Gottes Zorn vom Himmel wird offenbar über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen halten.” Und im Römerbrief 2,9 schreibt Paulus: “Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun ...” Haben denn die Gottlosen eigene Macht? Oder sind alle ihre Glieder in die Gewalt des Satans geraten? Nein, sie haben vielmehr selbst ihre Glieder unter die Macht des Satans gegeben. Die Gottlosen haben immer noch eigene Macht über ihre Glieder. Sie sind nicht dazu gezwungen, zu saufen, zu fluchen, sich zu schlagen, Unzucht zu treiben und zu stehlen. Aber sie haben selbst ihre Glieder dem Satan übergeben. Darum rufen sie ein größeres Urteil über sich herauf. Wenn die Gottlosen eine äußerliche Buße täten, so würde Gott ihnen helfen. Sie tun es aber nicht, obwohl Johannes der Täufer predigte: “Tut Buße, denn  das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!” (Matth. 3,2)

Wer aber auch die äußerliche Buße nicht tut, hat keinen Willen, selig zu werden. Wie leben die Heiden heutzutage? Sie saufen, sie fluchen, sie schlagen sich, sie treiben Unzucht und sie stehlen. Das ist nicht das Leben eines natürlichen Menschen, sondern das eines Besessenen. Ungetaufte Heiden leben besser, weil sie fürchten, daß ihr Gott zornig wird, wenn sie ihn sehr lästern. Aber diese [Besessenen] haben keine Gottesfurcht - die Furcht, daß Gott sie straft - sondern je mehr Gott das Land mit Notzeiten bestraft, desto mehr werden sie gereizt und verhärtet. Sie verachten das Wort Gottes und verhöhnen die Christen, die sie vor der Gefahr für ihre Seelen warnen. Das Prahlen, die Unzucht und andere Sünden verwirren ihren Verstand, so daß sie auch im irdischen Leben scheitern und in dieser Welt nicht zurechtkommen. Daraus entstand die große Menge der Armen, die jetzt von der Mühe der anderen leben möchten. Die Sünde wurde schon in dieser Welt bestraft. Jene, die in der Jugend sich in Tuch und Seide kleiden - sie werden bald Lumpenkerle. Auch dann wird niemand klüger, obwohl sie sehen, was denen passierte, die in jüngsten Jahren herrliche Kleider trugen. Alle diese irdischen Leiden entfallen auf die Knechte der Sünde schon in diesem Leben, wenn sie keine Buße tun. Und alle diese Gottlosen sind noch so stolz, daß sie es selbst  verantworten wollen, wenn ihre Seele zu Schaden kommt - obwohl sie sich schon jetzt in einem solch schlechten Zustand befinden, daß sie keine Verantwortung mehr dafür tragen können, was ihrem Körper durch die Pracht, durch den Stolz, durch das Saufen und durch die Unzucht angetan wurde.

Der heutige Text ist gar nicht für die Gottlosen geeignet. Er gehört aber den begnadeten Seelen. “Aus Gnade seid ihr gerettet worden durch den Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.” Diese Worte von Paulus machen den Eindruck, als ob die Christen sich irgendeinen Teil der Wirkungen des Heiligen Geistes hätten aneignen wollen - geradeso als ob sie auch selber etwas zu ihrer Besserung beigetragen hätten. Und die Selbstliebe ist dazu bereit, sich etwas von den Wirkungen des Heiligen Geistes anzueignen - wenn die Selbstgerechtigkeit vor der Gnade kommt. Aber im heutigen Text nimmt Paulus den Christen alle eigenen Wirkungen weg, all eigenes Verdienst und alle eigene Güte. Und ich glaube, daß alle Christen, die sich selbst kennen, sich nichts von den Wirkungen des heiligen Geistes aneignen können. Sie können auch nicht meinen, daß sie selbst ihre Erweckung, ihre Reue, ihren Glauben, ihre Liebe oder etwas anderes, was zum wahren Christentum gehört, bewirkt hätten, sondern daß es alles Gaben Gottes sind, die kostenlos gegeben wurden. Aber nicht jeder will sie als Geschenk entgegennehmen. Einige wollen die Seligkeit mit eigener Buße und besserer Reue verdienen, und sie verdienen solange, bis sie sie in der Hölle verdienen müssen.

Verdient nicht, denn vom Verdienst wird nichts, sondern nur die Gabe Gottes ist es. Und nehmt Gottes Gabe mit Dankbarkeit entgegen. Heute bietet Er noch seine Gnade den trüben und bereuenden Seelen dar. Heute zeigt Er seine Wunden noch den Ungläubigen. Heute sucht Er noch verlorene Schafe auf dem Berge Zion, an den Ufern des Roten Meers und des Jordanflusses. Heute ruft Er noch: “Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.” (Matth. 11,28) Heute fragt er noch: “”Sind ihrer aber nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun?” (Lk. 17,17) Heute sucht der liebe Vater noch dich, du verlorener Sohn, der sich vom Hause des Vaters in das fremde Land verirrte, wo man der Seele auch keine Treber der Säue zu essen gibt. Eilt zum Vater [Urtext: Elter, das], alle die ihr hungert und dürstet! Ruft nach dem Sohn Davids, alle Blinden, bevor Er so weit ist, daß er euch nicht hört! Wer weiß, wenn er morgen schon so weit gegangen ist, so daß weder das Auge ihn sieht noch das Ohr ihn hört. Dann werdet ihr rufen, und niemand antwortet. Ihr werdet anklopfen, und niemand tut auf.

Die wenigen Seelen, die fühlen, daß die Seligkeit, die Jesus, der Sohn Gottes, für sie mit Seiner unschuldigen Pein und seinen Tod verdient hat, Gottes Gabe ist, sie fühlen auch so lange, wie sie wach sein können und Kräfte haben, um in ihrem teuersten Glauben zu kämpfen. Sie fühlen, sage ich, daß der Sohn Gottes aus der Gnade und ohne ihr Verdienst sich über sie erbarmt und mit großer Mühe und Qual ihre Sündenschuld bezahlt. Durch Seine Pein und seinen Tod hat Er ihre Seelen von der Hölle erlöst, mit seiner Himmelfahrt hat Er ihren Glauben gestärkt, mit seine Fürbitte beim Vater hat Er sie geschützt und mit Seiner Gerechtigkeit hat Er ihre Sünden bedeckt. Nun ist Er in den Himmel gefahren, um Seinen Jüngern eine Stätte zu bereiten. Habt ihr Ihn nun zum Fürsprecher beim Vater genommen, weil der listige Ankläger immer behauptet, daß ihr Unzüchtige und Diebe seid und voraussetzt, daß Gott euch nach Verdienst verurteilen soll? Wer antwortet nun für euch beim Vater, da der listige Ankläger der Kinder Gottes vor den Thron Gottes steht und euch Tag und Nacht anklagt, daß ihr jeden Tag sündigt, und sagt, daß solche wie ihr keine Christen seid, da ihr so viel sündigtet. Wer wird für euch vor dem großen Gericht antworten? Wenn ihr nicht den großen Kreuzträger als Fürsprecher beim Vater habe, so braucht ihr selbst antworten, wie die Gottlosen, die selbst für sich antworten wollen. Der beste Rat ist, daß alle Reumütigen den Sohn Gottes als Antworter nehmen, der den Ankläger verstummen läßt. Ihr seht, daß dieses Leben kurz und mühsam ist - und wenn es am besten war, so war es doch nur Pein und Qual. Ihr habet hier keine bleibende Stadt, sondern ihr seid Wanderer und Flüchtlinge.

Die Jünger Jesu werden in der Welt gehaßt und verfolgt. In dieser Welt finden sie nichts Lustiges. Die Welt freut sich in ihrer elenden Blindheit, aber bald wird die Freude der Welt in Sorge verwandelt. Aber die Sorge der Jünger wird zur Freude verwandelt, und niemand kann ihnen ihre Freude wegnehmen. Die teuer erlösten Seelen können sich dann der Hochzeit des Lammes freuen - alle, die wegen ihres Glaubens hier in Trübsal und in Bedrängnis waren. Dann können sie den großen Kreuzträger und dorngekrönten König auf dem Berge Zion stehen sehen, und alle heiligen Engel mit Ihm. Da sehen und hören sie die Einhundertvierundvierzigtausend vor dem Thron des Lammes das neue Lied singen. Da dürfen jene, die siegen, die Krone des Lebens tragen. Das ist das große Ziel, wohin ihr streben, euch beeilen und sehnen sollt. Wenn die Flügel den Schwalbenjungen wachsen, können sie in die hohe Luft fliegen, und die Erde bleibt unten wie ein Ball. Alle Meisen, Schwalben und Nachtigallen können bald in die warme Luft fliegen, da die Sonne auf den Kopf scheint, wo alle Tränen getrocknet werden und alle Seufzer zu Ende gehen. Da können die Vögelchen auf den Zweigen des lebendigen Weinstockes sitzen und Lob dem großen Schöpfer singen, der für sie das Leben gegeben hat. Und die Kinder rufen im neuen Jerusalem: “Hosianna dem Sohn Davids!”

Der gute und barmherzige Wille Gottes ist, daß ihr ihn nach den Merkmalen kennenlernt, die Johannes uns vorgestellt hat, da die  Mühen des irdischen Lebens bald zu Ende gehen. Bald kommen eure müden Gebeine zur Ruhe, bald kommt der Engel des Todes, um die Zweige des Weinstockes abzuschneiden. Bald lautet der Ruf: “Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen!” (Matth. 25,6) Habt ihr nun Öl in euren Lampen, ihr klugen Jungfrauen, damit ihr mit Freude und Ehre den Bräutigam zum Hochzeitshaus führen und euch mit Braut und Bräutigam auf dem Berge Zion freuen könnt, wo die Engel sehen wollen, wie schön die Braut des Gottessohnes ist? Strebet, ringet und wachet, damit ihr bereit seid, dem Bräutigam entgegenzugehen und ihm mit Freude und Jubel in das Hochzeitshaus zu folgen, und daß ihr am Tisch zusammen mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen könnt, jetzt und ewig.

 

Amen.