Am vierten Sonntag nach dem Sonntag der Heiligen Drei Könige

Abendpredigt im Jahre 1856

 

Deine Fluten rauschen daher, und eine Tiefe ruft die andere; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich.  Ps. 42,8

 

 

David klagt in seiner Reue, daß eine Tiefe die andere ruft, und daß “alle deine Wasserwogen und Wellen über mich gehen”. Ich finde, daß alle reumütigen Seelen in derselben Prüfung wie David einmal gewesen sind, der in seiner Reue in den Wellen des Zweifels fast ertrank. Darum schreibt er in dem Bußlied: “Eine Tiefe ruft die andre.” Und mancher versteht nicht, was die Tiefen sind, die um den Reumütigen rauschen. Aber wir verstehen wohl, daß es die Wellen des Zweifels sind, die so rauschen, wenn die reumütigen Seelen auf das wogende Meer dieser Welt geraten und von da dem herrlichen Ufer der Ewigkeit entgegenrudern. Dann bewirkt der Teufel der eigenen Gerechtigkeit einen schrecklichen Wind und ein Unwetter, das die Wellen des Zweifels hochschlagen läßt. “Eine Tiefe ruft die andere.” Das Urteil des Gewissens ist eine Tiefe, die entsetzlich in einem erweckten Gewissen rauscht. Und der Unglaube ist die andere Tiefe, und die Wellen des Zweifels gehen über den Erweckten hinweg.

In dieser Not befand sich David, und in derselben Not sind auch alle Jünger Jesu, als sie in den Wellen des Zweifels auf dem wogenden Meer dieser Welt rudern. David hat diesen Seelenzustand erfahren, und alle bereuenden Seelen wissen, wie eine Tiefe hier und eine andere da rauscht und die Wellen des Zweifels über sie hinweggehen. In dieser Not befanden sich die Jünger zum einen im tatsächlichen Sinn, als sie fürchteten, daß sie im See von Genezareth ertrinken würden, und zum anderen im geistlichen Sinn auf dem Berg von Golgatha, wo sie Jesus sterben sahen. Da befiel sie großer Zweifel und sie fingen an, sich vor dem Tod, dem Urteil und der Ewigkeit zu fürchten. Dies ist ein Augenblick, den kein einziger Bereuender vermeiden kann, wie sehr er es auch versucht. Manchmal geht es so mit allen Jüngern Jesu, daß sie gegen den Sturm der Welt auf dem wogenden Meer dieser Welt, wo der Geist, der die Macht über den Wind der Welt hat, einen großen Sturm hervorruft, um sie in den Wellen des Zweifels zu ertränken. Es ist aber ihr eigener Unglaube, der sie das Fürchten lehrt, obwohl es solange keine Not geben sollte, wie Jesus mit ihnen im Boot ist. Denn obwohl er im Boot schläft, ist er deshalb nicht kraftlos geworden. Aber der Unglaube der Jünger wirkt so sehr, daß sie sich zu fürchten beginnen und glauben, daß sie ertrinken werden. Die Not  zwingt sie, so laut zu rufen, daß Jesus aufwacht, und dann stillt er mit seinem Wort den Sturm und das Meer. Ihr Jünger Jesu, die ihr in den Wellen des Zweifels auf dem wogenden Meer dieser Welt rudert, wo eine Tiefe hier und eine andere da rauscht, und alle Wellen des Zweifels euch über den Kopf gehen, fürchtet nicht, daß ihr ertrinkt, solange Jesus im Boot ist; erinnert euch, daß David in derselben Not gewesen ist, und in dieser Not hat er von der Tiefe zur Höhe gerufen. Ruft ihr auch von der Tiefe zur Höhe und weckt Jesus auf; Jesus ist nicht in einem so tiefen Schlaf, den ihr im Garten gehabt habt. Ruft so, daß Jesus aufwacht! Er ist davon ermüdet, den Gottlosen Besserung zuzurufen. Höre also, du großer Herrscher des Sturmes und des Meeres, den Ruf der verängstigten Jünger. Vater unser, der du bist im Himmel ....

 

Evangelium: Matth. 8, 23-27

 

(23) Und er stieg in das Boot, und seine Jünger folgten ihm. (24) Und siehe, da erhob sich ein gewaltiger Sturm auf dem See, so daß auch das Boot von Wellen zugedeckt wurde. Er aber schlief. (25) Und sie traten zu ihm, weckten ihn auf und sprachen: “Herr, hilf, wir kommen um!” (26) Da sagte er zu ihnen: “Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?” Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer.  Da wurde es ganz stille. (27) Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: “Was ist das für ein Mann, daß ihm Wind und Meer gehorsam sind?”

 

Unter der Leitung unseres heiligen Evangeliums wollen wir durch die Gnade Gottes untersuchen, wie die Jünger durch ihre Notrufe Jesus aufwecken, als sie in der Not und nahe dabei sind, in den Wellen des Zweifels zu ertrinken.

Die erste Untersuchung: Warum schläft Jesus, wenn die Jünger in der Not auf dem wogendem Meer dieser Welt sind?

Die zweite Untersuchung: Warum fürchten die Jünger zu ertrinken, obwohl Jesus mit ihnen im Boot ist?

Die dritte Untersuchung zeigt, wie die Jünger Jesus durch ihre Notrufe aufweckten. Es ist unsere Hoffnung, daß Jesus nicht so tief schläft, daß der nicht den Ruf der Jünger überhört, obwohl er müde geworden ist, den verhärteten Sündern Besserung zuzurufen.

Wir wollen zuerst schauen, warum Jesus schläft, wenn die Jünger in der Not auf dem wogenden Meer dieser Welt sind.

Wir wissen nicht, warum er so tief schläft, obwohl die Jünger in Not sind. Aber wegen seiner menschlichen Natur mußte er schließlich müde werden, den gottlosen Sündern Besserung zuzurufen, da er schon so viele Jahre den Tauben und den Stummen gepredigt hatte, und mancher hatte noch nicht Buße getan. Wenn irgendeine sündige Frau ihm vor die Füße gekommen ist, um zu weinen, wenn irgendein Tauber oder Stummer begonnen hatte, seine Worte zu hören, wenn irgendein Lahmer vor ihm erscheint, und diesem seine Sünden vergeben werden, wenn die Augen eines armen Blinden geöffnet werden, so daß er den Blick zum Himmel richten kann, so ist das noch kein Zehntel von denen, die immer noch blind, taub und lahm in die Ewigkeit wandern. Wenn zehn Aussätzige gereinigt wurden und neun von zehn zurück in die Welt zurückkehrten, so sagt dies nichts darüber aus, wieviele es von denjenigen gibt, die der Besserung und der Reinigung bedürfen. Jetzt ist Jesus [zu] müde, um den gottlosen Sündern Besserung zuzurufen, und darum schläft er, als die Jünger wegen ihres Unglaubens in der Not auf dem wogenden Meer dieser Welt sind und befürchten, in den Wellen des Zweifels zu ertrinken.

Zweite Untersuchung: Warum haben die Jünger so eine Furcht, obwohl sie wissen, daß Jesus im Boot ist?

Diese Furcht beruht auf ihrem Unglaube, denn wenn sie einen lebendigen Glauben an Jesus hätten, würden sie nicht fürchten zu ertrinken, solange Jesus im selben Boot ist. Es ist aber der Unglaube, der so eine Angst verursacht, besonders, wenn Jesus schläft.  Wenn Jesus wachen würde, könnten sie ein stärkeres Vertrauen zu ihm haben. Aber er schläft, und alle Jünger mögen nicht erraten, warum Jesus so müde ist; er ist müde geworden, den Gottlosen Besserung zuzurufen und braucht Ruhe. Aber wie David sagt: “Eine Tiefe ruft die andere”, so geben die Jünger Jesum keine Schlafruhe, sondern rufen in ihrer Not, als sie befürchten, in den Wellen des Unglaubens zu ertrinken. Diese Furcht und dieses Beben wurde von so einem schrecklichen Unglauben verursacht, der nicht aufhört, sie zu plagen, solange sie auf dem wogenden Meer dieser Welt rudern. Nun ist Jesus müde geworden, den Verhärteten Besserung zuzurufen. Er brauchte eine Weile, um sich auszuruhen. Aber die ungläubigen Jünger geben ihm keine Schlafruhe. Sie schreien in ihrer Not und wecken Jesus mit ihrem elendigen Ruf auf. Und was konnten sie denn tun, wenn sie befürchten, in den Wellen des Zweifels zu ertrinken. Sie haben nämlich lange versucht, durch ihre eigenen Kräfte gegen die Wellen zu kämpfen, und der große Sturm der Welt hat sie sehr ermüdet.

Dritte Untersuchung: Nun sollt ihr rufen, ihr müden Jünger, die ihr in der Todesfurcht seid.

Wenn ich nicht gesehen hätte, in welch einer Furcht und Bedrängnis ihr seid, würde ich euch sagen: “Bemüht nicht Jesus durch eure Rufe, denn er ist zu müde, den Sündern Besserung zuzurufen und braucht wegen seiner menschlichen Natur Ruhe. Aber euer Unglaube wirkt so sehr, daß er euretwegen keinen Schlaf findet. Warum bemüht ihr so eindringlich Jesus, obwohl ihr sehr gut wißt, daß er müde wurde, den Sündern Besserung zuzurufen? Aber weh, weh wegen eures Unglaubens; was für eine Mühe er Jesum macht! Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr Jesus eine kurze Zeit ausruhen lassen, da er müde geworden ist, den verhärteten Sündern zuzurufen. Nun müßt ihr wegen eures Unglaubens rufen und Jesus aufwecken. Und wir wissen auch, daß Jesus aufwacht, wenn die Jünger in ihrer Not schreien; und wahrlich wacht Jesus auf und stillt dieses Unwetter, das der Feind über sie hervorgerufen hat. Weckt Jesus durch euren Ruf, ihr Notleidenden, und sagt: “Herr, hilf, wir kommen um!” Und wahrlich kommen wir ohne ihn um. Aber durch seine Gnade kommen wir zum anderen Ufer, das auf der anderen Seite des Roten Meeres ist, und da werden wir wahrlich Wunder sehen.

 

Amen.

 

 

 

 

 

 

Am fünften Sonntag nach dem Sonntag der Heiligen Drei Könige

 

Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, da er Arbeiter aussende in seine Ernte. Luk. 10,2

 

Da der Herr Jesus durch den Acker des Herrn ging, und dieser voller Unkraut war, sah er deutlich, wie wenig ein einziger Arbeiter auf dem Acker ausrichten konnte, der so lang und breit ist, daß kein Mensch dessen Grenzen erblicken kann. Dieser Acker wurde jedoch schon vorher von Propheten gepflügt und bearbeitet, aber während der Zeit des Heilands hatte das Unkraut nahezu überhand genommen. Johannes der Täufer versuchte das Unkraut zu jäten, aber er konnte nicht mehr, als den Weg des Herrn durch den großen Acker zu bereiten, der voller Dornbüsche war. Es ist also kein Wunder, daß der Herr, da er diesen von Johannes dem Täufer vorbreiteten Weg durch den Acker ging, es als ein großes Verbrechen betrachtete, daß das Bebauen des  Feldes so versäumt, der Boden so schlecht gepflegt und nahezu voller Unkraut war. Deswegen sagte er seinen Jüngern: “Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, da er Arbeiter aussende in seine Ernte.”

Zweifellos dürfte es an den Bauern liegen, daß der Acker voller Unkraut und Disteln ist. Denn obgleich die Erde hart und schwer zu bearbeiten ist, so hat man doch gesehen, daß einem fleißigen Arbeiter die Mühe belohnt wird. Im Gelobten Land war die Erde zwar fruchtbarer als hier im kalten Norden, wo die Sonne nie so hoch am Himmel steht wie in Israel. Außerdem ist der himmlische Tau hier im Norden, verglichen mit dem Land Kanaan, ganz gering. Ein fleißiger Arbeiter konnte in der Heimat Jesu dreißigfältig von einer schlechten Erde und sechzigfältig von einer besseren und sogar hundertfältig von der besten Erde sammeln, aber hier im kalten Nordland lobt der Bauer schon Gott, wenn er das achte oder neunte Korn vom besten Ackerland bekommt. Häufig muß er mit dem vierten oder fünften Korn zufrieden sein. Manchmal bekommt er sogar nichts von seinem Acker. Die Erde ist so hart, daß sie nicht Frucht bringen kann; oder der Same ist so untauglich, daß er nicht aufkeimt. Außerdem friert der Boden manchmal bei der Nachtkälte und der Bauer erntet am Ende nur langes Stroh statt des Kornes und dessen Kern. Höre, du mächtiger Herr der Samen, das Gebet der armen Bauern, weil sie zu Dir seufzen und sagen: Vater unser, der du bist im Himmel.

 

Evangelium: Matth. 13, 24-30

 

(24) Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: “Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. (25) Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. (26) Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. (27) Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: “Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?” (28) Er sprach zu ihnen: “Das hat ein Feind getan.” Da sprachen die Knechte: “Willst du denn, da wir hingehen und es ausjäten?” (29) Er sprach: “Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. (30) Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: ‘Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.’”

 

Der Apostel Petrus säte am Pfingstag und konnte mehr als hundertfältig ernten. Er hatte aber auch ausgezeichneten Samen. Wir müssen uns zusätzlich daran erinnern, daß andere Arbeiter schon vor ihm seinen Acker bearbeitet hatten. Unser Heiland bezeugt, daß andere schon vor euch dort gewirkt haben, so daß ihr ernten könnt. Aber vieles ist abhängig davon, wie die Samen sind, denn wenn der Sämann schlechte Samen hat, kann er nicht auf eine reiche Ernte hoffen. Einige Ackerbauer sind so unbekümmert, daß sie das Saatkorn nicht säubern, sondern sie streuen es so unrein auf den Acker wie ungesiebten Samen. Solche Sämänner säen selber Unkraut auf ihren Acker. Ist es da ein Wunder, daß ihr Acker voller Unkraut ist? Jemand, der den Samen von anderswo kauft, kann nie vom Ausgang der Ernte überzeugt sein, wenn er nicht zuerst die Samen im eigenen Herzen aufkeimen läßt. Am besten wäre es jedoch, wenn der Ackersmann die Samen vom eigenen Feld bekommen könnte, der gereinigt und frei vom Unkraut sein sollte. Sonst gibt es keinen Acker, der völlig frei vom Unkraut wäre. Dies hat man schon während des apostolischen Zeitalters gesehen. Wie rein und frei von Unkrautsamen der Same auch wäre, so können die Unkrautsamen doch auch andere Wege nehmen: das Wetter und der Wind der Welt können Unkrautsamen auf den Acker des Herrn bringen. So kann es mit den Distelsamen geschehen, die ganz leicht sind; sie folgen Wetter und Wind dieser Welt. Aber selbst wenn es keinen Wind in der Welt gäbe, so kann der Feind auf dem Acker des Herrn dann Unkraut sähen, wenn die Menschen schlafen. Wir lesen im heutigen Evangelium, daß, wenn die Leute schlafen, siehe, dann erhält der Feind die Möglichkeit, Unkraut auf den Acker des Herrn zu säen. Aber warum schlafen die Leute, obwohl sie wissen, daß der Feind wach ist? Gerade, wenn sie schlafen, wird der Feind die Gelegenheit erhalten, Unkrautsamen auf dem Acker des Herrn zu säen. Wenn wenigstens einer wach wäre und den Acker des Herrn beaufsichtigen würde, so könnte der Feind dies nicht tun. Aber wenn kein einziger wach ist, was passiert dann? Ja, es wird geschehen, daß der Feind kommt und Unkraut sät. Aber warum sind alle so schläfrig? Seht ihr nicht, wie der Feind in der Nähe des  Ackers in der Finsternis lauert? Seht ihr nicht, daß er einen Sack voll Unkrautsamen hat? Bemerkt ihr nicht, daß er dem Ackersmann Schaden zufügen will? Er will alle Mühe und Arbeit des Ackersmann vereiteln. Und trotzdem schlaft ihr. Es gibt auf dem Acker keinen einzigen Menschen, der wach bleibt. So ist es wirklich kein Wunder, daß der Acker voller Unkraut ist, weil alle Menschen in der Betäubung der Sünde liegen und schlafen. Wenn es doch eine Seele gäbe, die wach wäre, so mag sie diesen Acker davor bewahren, damit der Feind nicht immer noch mehr Unkraut säen kann. Aber nicht genug damit, daß der Acker des Herrn voll von Unkraut und Disteln ist, die der Feind gesät hat, weil alle Leute sich dem Schlafen ergeben haben. Auch die Samen sehen untauglich aus, obwohl der heilige Samen immer und zu allen Zeiten rein und fruchtbringend war. Der himmlische Samen hat von sich selber her immer Lebenskraft und Keimfähigkeit, wenn er richtig gesät wird und von allem Unkraut gereinigt ist. Aber wenn er in falsche Hände gerät, so kann auch ein reiner Same verderben und mit allerlei Unkrautsamen gemischt werden, die ihn verderben. So steht im Neuen Testament, daß die Pharisäer das reine Gotteswort mit Menschengeboten verdorben hatten. So verdarb das Papsttum dasselbe reine Gotteswort mit Menschenlehren und konnte deshalb keine Frucht auf der Erde bringen. Luther trennte das Unkraut von dem Weizen. Aber mit der Zeit hat man wieder den himmlischen Samen mit dem Unkraut und mit den Menschenlehren vermischt, und deshalb kann er nicht Frucht bringen.

Daher ist es für den Acker des Herrn notwendig, daß der Same rein und frei vom Grassamen bleibt. Außerdem ist es erforderlich, daß der Acker tiefer als bisher gepflügt wird, denn die Säer von heute haben nur die Oberfläche berührt, weil sie es nicht schafften, tiefer zu pflügen. Deshalb sagte der ungerechte Haushalter: “... Graben kann ich nicht, auch schäme ich zu betteln.” (Luk. 16,3) Und warum konnte er nicht graben? Weil er nicht in so schwerer Arbeit geübt war. Dem Faulenzer ist das Graben mühsam, einem Herrn ist das Betteln mühsam. Lieber läßt er die Schuldbriefe der Schuldner seines Herrn verfälschen und fünfzig anstatt einhundert schreiben, bevor er beginnt, auf dem Acker des Herrn zu graben und noch dazu diese wertvollen Samen vom Herrn der Ernte zu erbetteln, um wenigstens einige reine Saatkörner zu bekommen, die in der großen Tenne gereinigt und gesiebt wurden, von der Johannes der Täufer sagt: “Er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheune sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.” (Matth. 3,12) Wenn irgendwo, so ist hier der Acker des Herrn voller Unkraut und Disteln. Hier hat der Feind, ohne sich vor einem wachen Menschen zu fürchten, sein Unkraut säen können. Hier können sich geistliche Schweine frei auf dem Acker des Herrn wälzen; daher sieht der Acker wie eine Schweineweide aus.

“Heute, wenn ihr die Stimme des Herrn höret, so verstocket eure Herzen nicht.” Dies ist die Stimme des Herrn, die im heutigen Evangelium sagt, daß der Feind, da die Leute schliefen, Unkraut auf den Acker des Herrn streute. Wenn aber wenigstens ein Mensch den Acker des Herrn bewacht hätte, hätte der Feind es nicht öffentlich gewagt, Unkraut auf den Acker des Herrn zu streuen. Aber weil alle Leute schliefen, wagte er so eine Schandtat.

Es ist Zeit, daß die Leute endlich vom Schlaf der Sünde aufwachen; es ist Zeit für die Knechte, den Acker des Herrn zu bewachen. Es ist besser, daß die Knechte aufwachen, als daß sie dann später Unkraut ausjäten. So ein Ausjäten geschah zur Zeit Josuas auf Befehl  Gottes. Aber jetzt kann man das nicht mehr machen, weil das Unkraut zu tief eingewurzelt ist. Aber wenn hier irgendeine christliche Seele ist, die darüber trauert, daß der Acker des Herrn voller Unkraut, daß der Weingarten des Herrn zur Erde getreten ist, daß Dornbusch und Disteln wie Fichten im Walde stehen, so beuge er seine Knie im Namen Jesu und bete den Herrn der Ernte an, daß er helfe und Arbeiter in seine Ernte sende, daß er lehre, den ungerechten Haushalter den Acker des Herrn tiefer umzugraben und einige Scheffel Weizenkörner als Samen für den Acker des Herrn zu erbetteln, sowie auch, daß er seine Knechte wach halte, damit der Feind nicht Unkraut auf den Acker des Herrn säe, und der Herr wenigstens einige Weizenkörner in seiner Scheune sammeln kann. Höre, Herr, das Gebet der armen Arbeiter, die auf diesem Acker arbeiten und auf den Regen vom Himmel warten, um den Tau des Himmels in der Nacht seufzen und um den Schein der Sonne seiner Gnade am Tage bitten, damit die Disteln nicht ganz den Acker des Herrn bedecken.

 

Amen